Fehér László: Erinnerungen an Reales

In diesem kulturellen „Mikroklima” der alternativen „zweiten Öffentlichkeit" entfaltete sich László Fehérs unkonventioneller, ungewöhnlicher, in der Avantgarde-Szene völlig überraschender und verwirrender Realismus, welcher ihm die Möglichkeit der Selbstentdeckung, einer Lokalisierung seiner moralischen, sozialen und kulturgeschichtlichen Position geboten hat. Durch die Malerei versuchte er, seine eigene Identität in der verzweifeiten, zerstrittenen, zwischen Hoffnung und Skepsis pendelnden ungarischen Gesellschaft der siebziger Jahre, mit ihrer stoischen Moral des pragmatischen Überlebens zu verstehen und zu thematisieren.
Kühle Objektivität, absolute Exaktheit, photographische Indifferenz und verewigte Vergänglichkeit – dies sind die Charakteristika, die László Fehérs Realismus in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre prägen. Seine Bilder zeigen in einfacher Weise Augenblicke des banalen Alltagslebens: in eine Untergrundbahn gezwängte Menschen, die einander ohne Interesse und persönlichen Kontakt betrachten; eine Küche, in der einfache Leute ihr monotones Leben zubringen. Die Arbeiten dieser Periode sind zumeist monochrom. Farbe kann es in diesem grauen, tristen, hoffnungsund bedeutungslosen Leben nicht geben. Zugleich betont dieses monotone Grau den dokumentarischen Charakter der Photographie. Fehér strebt bewußt nicht mehr an, als die Kamera vermag: zu dokumentieren. Die Funktion des Dokumentierens ist es, die seine früheren Arbeiten vom amerikanischen Photorealismus mit seiner kühlen Leidenschaftslosigkeit und Indifferenz unterscheidet. Bereits Fehérs Themenauswahl zeigt die sozialkritischen Inhalte an. Armut, Tristesse des Großstadtlebens, banales, jeglicher Würde und Erhabenheit bares Leben werden in der mitleidlosen Exaktheit des Schnappschusses deutlich.