Das Foto Jahr 1938

Dieses Buch ist kein Buch, um sich die Fotografie abzugewöhnen. Ehegattinnen, die zähneknirschend vor der Dunkelkammer warten, soliten es daher nicht erwerben. Nicht einmal für den Weihnachtstisch. Er könnte sich im Handumdrehen in ein aufnahmereifes Stillleben verwandeln.
Dieses Buch ist auch kein Bilderbuch, in dem man über die Anstrengungen anderer Leute hinwegblättert. Seine Bilder sollen uns auffallen, solange, bis uns eigene einfallen. Selbst auf die Gefahr hin, daß wir merken, wie wenig uns mitunter einfällt.
Es ist ein Buch, um zu vergessen, daB wir eigentlich wohlgesittete Leute, verdiente Rechnungsräte und lausbübische Stifte, steifbehemdete Pflichtmenschen und sorgende Väter sind – ein Buch, das uns alle zu einerfröhlichen unverbesserlichen Gemeinschaft von Medizinmännern vereinigt. Oder ist es etwa keine Zauberei, „schnapp” zu machen, und die ganze Welt, die strahiende Sonne in einem schwarzen Kasten davonzutragen?
Diesen Mitverschworenen stecken wir das rotbefrackte Büchlein in die Rocktasche. Lest es nicht nur mit zwei Augen und einer Brille, lest es auch mit dem dritten Auge – eurer Kamera.
(Wilhelm Schöppe)